Renaissance der Observation: Wie sie in der Digitalisierung neuen Stellenwert gewinnt

Von Christina Schwung

In einer Welt, in der so gut wie alles auf dem Smartphone erledigt werden kann, mag die Idee der Observation zur Aufklärung von Wirtschaftskriminalität auf den ersten Blick veraltet erscheinen. Doch in Wahrheit erlebt sie eine regelrechte Renaissance, die in Zeiten von „alles geht digital“ und Home Office überrascht. Hier sind einige Erkenntnisse aus unserer täglichen Ermittlungs- und Observationspraxis, warum Wirtschaftsstraftäter um physische Treffen mit anderen meist doch nicht herumkommen:

  1. Spurenvermeidung

    Wenn Täter ihre Absprachen mit anderen digital abwickeln, hinterlassen sie Spuren. Vieles scheint zwar heute mit technischen Mitteln anonymisierbar zu sein, wie z.B. Fake-Accounts und gemietete IP-Adressen. Aber unsere Praxiserfahrung zeigt, auch diese können mitunter rückverfolgt werden. Außerdem: die miteinander ausgetauschten Inhalte sind ja immer noch da. Welcher Täter vertraut seinen Partnern schon zu 100%, dass sie diese Inhalte nicht eines Tages gegen ihn einsetzen?

    1. Überzeugungsarbeit

    Absprachen unter Tätern sind selten stressfrei. Da gibt es oft Uneinigkeit über Vorgehensweisen, die wiederum Druck und Gegendruck erzeugen—harte Diskussionen, die ein Präsenz-Gespräch erforderlich machen. Per Telegram lässt sich so etwas nicht regeln.

    1. Mitleser

    Je anonymer und angeblich sicherer eine Chat App ist, um so mehr versammeln sich dort Täter jeder Couleur; und umso intensiver lesen Ermittlungsbehörden oder Dienste gerne mit. Das ist immer nur eine Frage der Zeit.

    Fazit

    Diese und andere Gründe führen dazu, dass die Notwendigkeit zum physischen Treff zwischen Tätern wieder spürbar auflebt. Das zeigen unsere Erfahrungen bei Observationen, die wir im Auftrag geschädigter Unternehmen durchgeführt haben. Dabei lässt sich z.B. feststellen, wer mit wem redet, wer überraschend dazustößt, wie die Stimmung ist und wohin die Beteiligten danach wieder verschwinden. Dies sind oft essenzielle Informationen für die weitere Aufklärung eines Falles. Es kommt nicht von ungefähr, dass Ermittlungsbehörden standardmäßig eine erhebliche Anzahl von Observationskräften vorhalten—auch in der digitalen Ära.

    Zur Autorin:

    Christina Schwung ist Senior Investigator bei der Sicherheitsberatung Corporate Trust in München. Die ehemalige Kripo-Beamtin ist seit 15 Jahren in der Sicherheit für Unternehmen und Family Offices tätig.

    schwung@corporate-trust.de

    Tel. 089 / 599 88 75 80

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