„Loslassen, Zutrauen, Aufklären – Kinderschutz bedeutet, Kinder stark zu machen“

Diese Woche durfte ich wieder erleben, wie unterschiedlich Eltern mit dem Loslassen umgehen: Bei der Einschulung meiner jüngsten Tochter (und auch in unserem Familienalltag) habe ich bewusst darauf gesetzt, ihr die ersten Schritte alleine zuzutrauen. Es erfüllt mich voller Stolz, ihr dabei zuzusehen, wie sie Dinge voller Mut alleine meistert – wie sie neugierig ihren Platz einnimmt oder sich auf Neues einlässt. Manchmal braucht sie dafür einen kleinen Schubs in die richtige Richtung, und ja, es gibt auch noch die Momente, in denen sie meine Hand sucht und ich sie gerne halte.  Dieses Loslassen verlangt manchmal Mut – bei mir genauso wie bei anderen Eltern.

Und doch stehe ich immer wieder im Zwiespalt: Wann ist mein Verhalten noch unter liebevoller Fürsorge einzuordnen – und ab wann wird es zu helikopterhaft, fast schon übergreifend? Wann ist es vielleicht sogar zu wenig – und wird als „streng“ empfunden? Mir wurde oft gesagt: „Du bist aber streng…“ Ja, ich finde, Kinder brauchen Regeln. Sie müssen lernen, dass Teilhabe an Gemeinschaft und echte Freiheit auch Verantwortung und Grenzen mit sich bringen. Partizipation allein reicht nicht – Regeln bereiten unsere Kinder darauf vor, später selbstbewusst und rücksichtsvoll ihren Platz im Miteinander zu finden.

Was ich bei vielen heutigen Eltern beobachte, ist aus meiner Sicht oft zu viel des Guten: Angst, dass die Kinder scheitern, ständiges Kontrollieren, das Auflösen kleiner Konflikte und ein Überbehüten, das aus normaler Fürsorge schnell ein Korsett werden kann. Viele meinen es gut, gehen aber weit darüber hinaus, was Kinder eigentlich brauchen, um stark und selbstständig zu werden. Studien zeigen: Überbehütung, wie sie viele Helikopter-Eltern praktizieren, kann Ängste fördern, die Entwicklung von Selbstständigkeit hemmen und die Frustrationstoleranz senken. Kinder brauchen aber gerade kleine Herausforderungen, Fehler, Frust und Konflikte, um an ihnen zu wachsen. Aufklärung und präventive Gespräche helfen viel mehr als ständige Kontrolle.

Im Bereich Personenschutz erlebe ich einen weiteren Zwiespalt: Gerade exponierte Familien möchten Kinder oft von allen Maßnahmen fernhalten – „mein Kind soll davon nichts wissen“. Dieser Ansatz ist aus meiner Sicht ein gut gemeinter Fehler. Kinder müssen keine Panik bekommen, aber sie dürfen ehrlich und altersgerecht erfahren, warum bestimmte Schutzmaßnahmen notwendig sind. Nur so entwickeln sie ein gesundes Selbstbewusstsein, lernen mit besonderen Situationen umzugehen und bauen nachhaltige Resilienz auf. Transparenz und offene Kommunikation sind hier Schlüssel. Schutz darf nicht Angst machen – aber er muss verständlich sein.

Weltkindertag ist für mich nicht einfach ein Aktionstag, sondern Erinnerung daran, wie wichtig dieses gelebte Vertrauen, diese Aufklärung und das offene Ohr für alle Kinder sind. Für mich ist dieser Tag ein Anlass, das eigene Verhalten zu reflektieren, Kinder ernst zu nehmen, und nicht nur im Schutz zu begleiten, sondern ihnen echte Wachstumschancen und die Erfahrung von Regeln zu schenken.

Als Mutter und als Sicherheitsberaterin bei Corporate Trust weiß ich: Jedes Kind ist anders. Die perfekte Balance zwischen Loslassen, Strenge und Schutz gibt es nicht – aber der Mut, eigene Haltung zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen, macht Kinderschutz erst wirklich lebendig. Für unsere Kinder wünsche ich ein aufmerksames Umfeld, das ihnen Sicherheit gibt und Raum lässt, damit sie später selbst die Welt gestalten können.   

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