Am 11.05.2023 lautete die Schlagzeile des Südwestrundfunk (SWR) „Zwei Tote im Mercedes-Werk Sindelfingen“. Ein Angestellter der externen Logistik-Firma Rhenus hatte zwei Männer an seiner Arbeitsstelle im Werk mit einer vermutlich illegalen Waffe erschossen. Immer häufiger kommt es zu Gewalt am Arbeitsplatz. Unternehmen sind gesetzlich zur Gewaltprävention durch ein professionelles Bedrohungsmanagement verpflichtet. Vor allem im Hinblick auf den „Kampf um Talente“ und den immer stärker sichtbar werdenden Fachkräftemangel sollten Unternehmen jedoch auch aus eigenem Interesse sicherstellen, dass Beschäftigte am Arbeitsplatz weder Drohungen noch Stalking oder gar körperlicher Gewalt ausgesetzt sind.
Gewalt am Arbeitsplatz kann vielfältig sein. Sei es der Stalker, der immer aufdringlicher wird und seiner Ex-Freundin täglich vor der Firma auflauert, das querulatorische Verhalten eines Mitarbeiters gegenüber Kollegen oder Vorgesetzten bis hin zu Mitarbeitenden, die ihre extremen Einstellungen immer aggressiver gegenüber Kolleg*innen zeigen. Viele Menschen fühlen sich in so einer Situation hilflos und vor allem enttäuscht, wenn sie hier keine Unterstützung vom Arbeitgeber erhalten.
Jedes Unternehmen sollte daher ein Bedrohungsmanagement einrichten und sich Gedanken machen, welche Unterstützung es leisten kann. In aller Regel ist es dazu erforderlich, schwelende Konflikte, aufkeimende Aggressionen oder sich verändernde Wesenszüge von Mitarbeitenden erstmal zu erkennen. Der erste Schritt ist meist eine Benennung und Sensibilisierung von verantwortlichen Stellen/Personen. Dies können die Personalabteilung, das Management, die Bereichsleiter oder Sicherheitsverantwortliche sein.
Für das Unternehmen ist es wichtig, Strukturen festzulegen, wie das Bedrohungsmanagement im Arbeitsalltag implementiert werden soll. Hier gibt es keine Musterlösungen oder Blaupausen, die man einfach kopieren und auf das eigene Unternehmen überstülpen kann. Aber es gibt best-practice Ansätze und Erfahrungswerte, was sich bereits bei anderen Firmen bewährt hat.
In der überwiegenden Mehrheit sind es einfach gelagerte Fälle, wenn man von Gewalt am Arbeitsplatz spricht. In der Regel hat man schon viel gewonnen, wenn man erkennt, dass etwas aufkeimt und rechtzeitig agiert. Was aber, wenn sich extremes Verhalten eines Mitarbeiters sehr schnell entwickelt oder Aggressionen plötzlich und unerwartet an einem Kollegen entladen? Was, wenn die Situation mit eigenen Ressourcen nicht gemanagt werden kann? Dann sollten auf jeden Fall Spezialisten ran. Für Unternehmen ist es daher wichtig, frühzeitig ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen, Kontakte mit externen Beratern herzustellen und gegebenenfalls sogar eine Hotline für die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit einzurichten.
Gerade im Bedrohungsmanagement bewahrheitet sich der Spruch: „Prävention ist besser als Reaktion“. Folgendes Vorgehen kann helfen, um eine professionelle Gewaltprävention im Unternehmen zu etablieren:
- Kick-off Meeting
- Was versteht man unter Bedrohungsmanagement?
- Was ist das Ziel eines betrieblichen Bedrohungsmanagements?
- Wo steht das Unternehmen aktuell (Individuelle Risikoanalyse)?
- Implementierung
- Konzeption der Strukturen
- Benennung der Verantwortlichen
- Melde- und Kommunikationswege im Ereignisfall
- Regularien für das Handling
- Information an die Belegschaft
- Konzeption der Strukturen
- Sensibilisierung
- Erkennen von risikobehafteten Situationen/Entwicklungen
- Warnsignale und „red flags“
- Umgang mit Drohungen
- Fallmanagement
- Unterbrechen von Aggressionsdynamiken
- Erstbewertung der Lage und Risikoeinstufung
- Hotline zu Spezialisten und Akutempfehlungen
- Fundierte Fallbewertung auf Grundlage von Gesprächen und vorhandenen Informationen
Zum Autor:
Christian Schaaf war früher Kriminalbeamter und ist heute Geschäftsführer der Sicherheitsberatung Corporate Trust.
Tel. 089-599 88 75 80