Gießen, Gewalt und ein stilles Danke an die Einsatzkräfte

Ich habe am letzten Wochenende mit dem Handy in der Hand gesessen und war fassungslos, als die Meldungen aus Gießen reinkamen: Dutzende verletzte Polizistinnen und Polizisten bei einem einzigen Protestwochenende. Für mich – auch aus meiner Vergangenheit in Uniform – steht fest: Jeder verletzte Beamte an diesem Wochenende ist einer zu viel.​

Dabei beginnt so ein Einsatz lange vor dem ersten Schlagstockbild in den Nachrichten. Polizei und Behörden bewerten im Vorfeld Anmeldungen, Mobilisierungsaufrufe, bekannte Strukturen und frühere Einsätze, um das Gewaltpotential realistisch einzuschätzen. Diese Bewertung entscheidet darüber, wie viele Kräfte nach Gießen verlegt werden, wo Sperrzonen eingerichtet, Lager getrennt und Reserven vorgehalten werden – und auch, warum Weihnachtsmärkte früher schließen, Straßen dicht sind und der ÖPNV ausweicht.​

Für viele wirkt das wie „Übertreibung“ oder reine Gängelung des Alltags. Aus Sicherheitslogik geht es aber darum, genau die Situationen zu verhindern, in denen Menschen – Einsatzkräfte wie Demonstrierende, Passantinnen, Beschäftigte – in engen Räumen zwischen Blockaden, Gewalttätern und Zwangsmaßnahmen eingeklemmt sind. Die Gewerkschaft der Polizei spricht im Zusammenhang mit Gießen von „widerlicher Gewalt und Hass“ gegen Kolleginnen und Kollegen – die hohe Zahl verletzter Beamtinnen und Beamten bestätigt das schmerzhaft.​

Damit aus Frust nicht blinder Hass wird, braucht es Transparenz: Warum wird hier gesperrt? Welche Risiken stehen dahinter? Wie lange gilt das? Wo kommen die Kräfte her, die heute in „meiner“ Stadt stehen? Dort, wo offen kommuniziert wird, wächst eher Verständnis – und genau dann entstehen auch die Bilder, die man zu selten zeigt: Menschen, die den Einsatzkräften danken, ein paar Worte wechseln, Kaffee bringen. Das nimmt niemandem die Verletzungen, aber es macht deutlich, dass viele sehen, was dieser Dienst wirklich bedeutet.​​

Für mich bleibt nach diesem Wochenende eine klare Kernbotschaft: Unsere Einsatzkräfte leisten einen wertvollen, oft unterschätzten Beitrag dazu, dass Protest, Alltag und Sicherheit überhaupt nebeneinander existieren können. Diesen Dienst müssen wir benennen, schützen – und gerade nach so einem Wochenende deutlich machen, dass Gewalt gegen Polizei keine „Begleiterscheinung“ ist, sondern eine Grenze, die nicht überschritten werden darf.

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