Deutschland hat ein Due Diligence Problem. Zu selten wird vorhergesehen, dass Geschäftsmodelle reine Luftnummern oder sogar Betrug sind. Natürlich ist es schwer zu erkennen: Wenn ganze Bilanzen falsch sind, weil sie auf Fantasiezahlen basieren und auch die Wirtschaftsprüfer nichts bemerken. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die Sorgfaltsprüfungen von den Anlegern selbst, und zwar vor der Investition, brauchen unbedingt mehr Power.
Es sind ja nicht nur die großen Skandalfälle wie in letzter Zeit die Adler Group, Greensill-Bank oder Wirecard, die das Problem illustrieren. Auch eine Flutwelle von Betrug an Privatleuten zieht durchs Land. Mit betrügerischen Krypto-Börsen, angeblichen Waren-Termingeschäften oder gefakten Investment-Fonds. Jede Woche rufen Geschädigte bei uns an.
Dabei bietet den einzigen wirklichen Schutz vor Betrug nicht der Staat mit Polizei, Staatsanwaltschaften oder Finanzaufsicht. Denn die kommen meistens aus behördeninternen Gründen gar nicht an die internationalen Informationen heran, die es für den Durchblick braucht.
Eigenes Engagement ist also gefragt. Investoren müssen ihre Hausaufgaben besser machen, entweder mit hausinternem Personal, das eine internationale Due Diligence beherrscht, oder mit Hilfe spezialisierter Dienstleister. Um einen Betrug zu durchschauen, braucht es umfassende grenzüberschreitende Nachforschungen, die über eine Prüfung der bloßen Finanzberichte und Webseite des Unternehmens weit hinausgehen.
Zu oft scheitert die Due Diligence an den zu engen Leitplanken: Mitunter werden nur die veröffentlichten Bilanzen/Geschäftsberichte geprüft – oft eine verkürzte Version der vollständigen Dokumente. Vielleicht auch noch ein paar Informationen aus einer Internet-Recherche. Doch das ist zu wenig für ein belastbares Bild.
Selbst die Financial und Legal Due Diligence bei richtigen Firmenübernahmen greift, im Nachhinein betrachtet, oft zu kurz. Weil zwar die Bücher und Rechtsrisiken betrachtet werden, aber nicht die handelnden Personen und Firmen sowie ihre Verflechtungen untereinander und zu Dritten.
Was oft fehlt, ist die Aufklärung der Hintergründe der Firma, ihrer gesellschaftsrechtlichen Strukturen und Kooperationen, ihrer handelnden Organe, Gesellschafter und wichtigsten Geschäftspartner, z.B. der größten Kunden und Lieferanten.
Dabei können z.B. herauskommen:
- Internationale Verflechtungen, die das „Geschäftsmodell“ erst möglich machen
- Extreme Abhängigkeiten von Schlüsselpersonen oder -firmen außerhalb des Unternehmens
- Mangel an „arms-length“ Distanz bei Geschäften, also Interessenskonflikte, Mauscheleien
- Beziehungen zu Briefkastenfirmen in Steueroasen
- Firmen und Personen in weit entfernten Ländern, die keinen nennenswerten Footprint haben, aber angeblich Großkunden sind
Denn das haben die meisten Betrugsfälle dieser Welt gemeinsam: Eine gründlichere Due Diligence in öffentlichen Quellen im Ausland würde meist bereits genug Hinweise ergeben, dass hier etwas faul ist – auch ohne Einblick in Interna der Firma.
Zum Autor:
Sebastian Okada verfolgt seit 2004 alle Arten von Wirtschaftskriminalität, weltweit. Er leitet die Abteilung Ermittlungen bei der Münchner Sicherheitsberatung Corporate Trust.
Tel. 089-599 88 75 80