Im September 2022 wurde von Corporate Trust ein ganztägiges Krisenstabstraining mit zwei Consultants für ein Energieunternehmen umgesetzt. Dies war bereits das vierte für dieses Unternehmen, weshalb man sich eventuell die Frage stellt, warum für einen Kunden so viele Krisenstabstrainings?!
Die Antwort versteht sich eigentlich von selbst: dynamische Geschäftsprozesse, Umstrukturierungen, neue interne Richtlinien, Wechsel der Geschäftsleitung oder Krisenstabsmitglieder, Umstellung auf hybride Arbeitsweisen uvm. ergeben eine Entwicklung, welcher sich Unternehmen anpassen müssen.
Erfahrungswerte zeigen allerdings, dass in den meisten Unternehmen die Trainingsmöglichkeiten für die Mitglieder eines Krisenstabs oder Notfallteams begrenzt sind. Speziell im Mittelstand fehlt oft das erforderliche Know-how und interne Ressourcen. Daher bietet es sich an, ein solches Training mithilfe von externen Spezialisten durchzuführen.
Das Szenario der Übung, bzw. die Ausganglage für das abgehaltene Krisenstabstraining war ein speziell angefertigtes Video, welches einen schweren Unfall mit einem Tanklaster darstellte, bei welchem vorerst nicht klar war, welches Unternehmen es betrifft und welche Flüssigkeit geladen war. Nachdem es sich herausstellte, dass die ausgetretenen Komponenten sowohl gesundheitsschädigend und eine Gefahr für die Umwelt darstellen, bekam die Übung erhebliche Dynamik. Zu keinem Zeitpunkt war es ersichtlich, dass es sich nur um eine Übung handelt. Die Krisenstabsmitglieder wurden während des gesamten Tages nur einmal unterbrochen, um das Geschehen in richtige Bahnen zu lenken. Das gute persönliche Verhältnis gepaart mit einer hohen Fachkompetenz des Krisenstabsteam war bei dieser simulierten Krise ein Vorteil. Dazu kommt, dass eben jährliche Krisenstabstraining umgesetzt werden und somit Erfahrungswerte im Umgang mit Krisen und deren Abhandlungen vorhanden sind.
Trotz der professionellen Vorbereitung und Erfahrungswerte mit Krisenstabsarbeit, gab es Erkenntnisse, die einer Anpassung bedurften:
1. Hybride Zusammenarbeit: zwei Kollegen waren online bei dem Training und äußerten sich mehrmals, dass die Diskussionen aufgrund der Lautstärke nicht verständlich sind. Dem wurde nur teilweise entsprochen und irgendwann resignierten die „Onlinekollegen“ im Laufe des Trainings und brachten sich nur noch temporär ein.
2. Krisenstabscharts: diese waren sowohl vom Inhalt als auch vom Aufbau sehr professionell im Raum verteilt und wurden auch benutzt. Allerdings waren diese Inhalte nur den Personen im Raum ersichtlich und wurden nicht mit allen relevanten Stakeholdern geteilt.
3. Recherchen: die Krisenstabsmitglieder setzten sich zu wenig mit Recherchen zu Örtlichkeiten, Behörden, Personen, Maßnahmen, soziale Medien (!) auseinander, was darauf zurückzuführen ist, dass nicht bekannt war, auf welchen Plattformen relevante Informationen erhältlich sind und wie Open Source Intelligence Tools (OSINT) hier nützlich gewesen wäre.
4. Verantwortlichkeiten: jedes Krisenstabsmitglied zeigte sich im Krisenmanagement für einen speziellen Bereich verantwortlich, allerdings wussten vereinzelt Mitglieder nicht, dass bereits Vorlagen und Maßnahmen für ihren Bereich im Krisenmanagement vorhanden und nicht genutzt wurden.
In Summe nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für uns als Trainer ein äußerst interessanter und lehrreicher Tag und Bestätigung dafür, dass ein jährliches Krisenstabstraining absolut sinnvoll ist.
Der Autor:
Andreas Radelbauer ist akademischer Krisenmanager und Leiter des Bereiches Crisis Risk & Response bei Corporate Trust. Jahrzehntelange globale Erfahrung in Umgang mit Krisen, Bedrohungen, Erpressungen und Entführungen prägen seinen Werdegang.
E-Mail: radelbauer@corporate-trust.de
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