Deutschland braucht eine Intelligence-Strategie

Die aktuelle geopolitische Lage – mit Krieg in der Ukraine, einem zunehmenden Nahost-Konflikt sowie der Gefahr einer Annexion Taiwans durch China – bringen viele Herausforderungen für deutsche Unternehmen. Hinzu kommt, dass das Ausmaß der Spionage um Zukunftstechnologien zunimmt, die wirtschaftlichen Vormachtstellung von Amerika und Europa schrumpft sowie die Militärunterstützung durch die USA für die europäische Verteidigung bröckelt. Langjährige Lieferanten werden wegbrechen und gewohnte Partnerschaften müssen evtl. unter einem neuen Blickwinkel bewertet werden. Deutschland braucht eine Intelligence-Strategie für die Wirtschaft, um neue, langfristig solide Geschäftspartner zu finden und die Auswahl auf Grundlage fundierter Informationen treffen zu können.

Durch den drohenden Konflikt zwischen Taiwan und China könnte es zum Wegbrechen des Hauptlieferanten für Halbleiter und andere elektronische Bauelemente kommen. Neue Partner und Produktionsstätten werden also dringend gesucht. Da China immer häufiger unter Spionage-Verdacht bei neuen Technologien steht und gesetzliche Rahmenbedingungen es für deutsche Firmen immer schwerer machen, ihr Know-how zu schützen, wird der Blick daher vermutlich mehr nach Europa gehen. Hier gibt es zwar ebenfalls günstige Produktionsstandorte, vor allem in Osteuropa. Aber wie sieht es mit Korruption und Vetternwirtschaft aus? Transparency International bewertet beim letzten Korruptionswahrnehmungsindex für 2023 das Risiko bei einem Großteil der osteuropäischen Länder als mittelhoch.

Russland und die Ukraine gehören zu den größten Exportländern bei Weizen, Sonnenblumenöl und Dünger. Der Krieg führt daher nicht nur zu einem Ausfall von Nahrungsmittelproduktion, sondern auch zu gestörten Lieferketten und Handelspartnerschaften. Nach einem Krieg bestehen für deutsche Unternehmen zwar auch wirtschaftliche Chancen, beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur mitzuwirken. Welche Geschäftspartner sind aber zuverlässig? Gehören sie zur richtigen politischen Seite oder birgt ein Engagement das Risiko eines hohen finanziellen Verlustes?

Mögliche Korruption, Verdacht von Unterwanderung oder gar Spionage sowie schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind nur einige der Risiken, mit denen sich Unternehmen bei neuen Geschäftspartnern auseinandersetzen müssen. Deutschland wird auf jeden Fall neue Partnerschaften benötigen, die zuverlässig, seriös und langfristig stabil sind. Dafür gilt es eine Strategie zu entwickeln, wie durch entsprechende tiefgehende Überprüfungen, sogenannte Background-Checks, die Spreu vom Weizen getrennt werden kann.

Nur die handelnden Personen über einen Auszug aus dem Handelsregister auszulesen und die letzten Geschäftsberichte zu prüfen, macht wenig Sinn. Mitunter sind Strohmänner und -frauen nur vorgeschoben, um die wahren Strippenzieher und ihre Absichten zu verbergen, bzw. Unternehmenszahlen gefälscht oder mindestens geschönt. Tatsächliche Hintergründe wie wirtschaftliche Verbindungen, Beteiligungsverhältnisse und Hintermänner, die eigentlich das Sagen haben, können nur durch Intelligence aufgedeckt werden. Nicht umsonst erfolgen bei staatlichen Stellen umfassende Überprüfungen, bevor sensible Positionen besetzt werden.

Die deutsche Wirtschaft sollte es gleichtun und eine Intelligence-Strategie entwickeln, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein. Durch die Politik sollte ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, wie die Wirtschaft durch staatliche Informationen, z.B. auch der Nachrichtendienste oder Verfassungsschutzämter, möglicherweise auch der Polizei oder von Europol unterstützt werden kann.

Zum Autor:

Christian Schaaf war früher Kriminalbeamter und ist heute Geschäftsführer der internationalen Sicherheitsberatung Corporate Trust.

Tel. 089-599 88 75 80

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