Wenn mittelständische Firmen neue Gesellschafter bekommen, gehen wichtige Mitarbeiter mitunter auf die Suche nach neuen Jobs. Manche nehmen sogar Betriebsgeheimnisse mit. Wir geben Tipps, woran neue Investoren denken sollten, bevor sich Mitarbeiter vor Firmenübernahmen auf Abwege begeben – und wie sie gegensteuern können.
Von Sebastian Okada
#1:
Identifizieren Sie die Schlüsselmitarbeiter im Zielunternehmen. Wer sind die Personen, ohne die die Firma gefährdet wäre; wer hat unersetzliche Kenntnisse, Kontakte oder Einfluss? Auf wessen Schultern ruht das bisher erfolgreiche Geschäftsmodell? Diese Personen sollte man namentlich kennen.
#2
Finden Sie heraus, was die Interessenlage dieser Mitarbeiter ist. Stehen sie der Übernahme offen gegenüber oder haben sie starke Vorbehalte? Haben diese Menschen bereits Signale an Kollegen oder die Geschäftsleitung ausgesendet, dass sie im Falle einer Übernahme das Unternehmen verlassen wollen? Managen Sie dieses Personal aktiv mit Hilfe von HR Spezialisten, Psychologen oder anderen Experten – im Vorfeld.
#3
Sollten sich Schlüsselmitarbeiter herauskristallisieren, die potentiell konkrete Abwanderungsgedanken hegen, konsultieren Sie Dienstleister für Hintergrundrecherchen. Haben einige Mitarbeiter vielleicht bereits Vorkehrungen getroffen, sich selbständig zu machen und/oder Firmen gegründet, Webdomains angemeldet oder Marken registriert? Unsere Erfahrungen mit realen Schadensfällen zeigen, dass dies keine Seltenheit ist.
#4
Führen Sie Gespräche mit der IT-Leitung der Zielfirma und finden Sie heraus, wie viel Forensic Readiness das Unternehmen aufweist. Das bezeichnet die Fähigkeit einer Organisation, im Nachhinein digitale Vorgänge intern aufklären zu können. Der Readiness Level hängt von den Einstellungen der Logs in der IT-Infrastruktur ab. Wenn die Logfiles kaum etwas aufzeichnen, was in den Systemen passiert, ist die Fähigkeit, Sachverhalte im Nachhinein aufzuklären, gleich null. Die Logs hochzufahren ist daher eine unerlässliche Vorsichtsmaßnahme. Gerade im Vorfeld einer Firmenübernahme sollte ein hohes Augenmerk auf die IT-Systeme und potentielle Informationsabflüsse gerichtet werden. Auch über ein Monitoring der Systeme sollte nachgedacht werden.
#5
Lassen Sie sich beraten, falls Sie die Ressourcen für die oben genannten Maßnahmen nicht selber im Haus haben. Die Investition in ein Unternehmen kann im Nachhinein auf Jahre schwer beeinträchtigt werden, wenn die wichtigsten Mitarbeiter die Flucht antreten, dabei vielleicht noch Intellectual Property entwenden und damit zur Konkurrenz gehen oder eine eigene Firma aufbauen.
Zum Autor:
Sebastian Okada ist bei der Münchner Sicherheitsberatung Corporate Trust für Intelligence (Informationsbeschaffung) und Ermittlungen bei Wirtschaftskriminalität verantwortlich.
Kontakt:
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Tel. 089-599 88 75 80